Schlaflose Nächte in der Berufsschulzeit

Ich glaube, ich muss niemanden erzählen, was das für ein Frühjahr war. Es war sehr lange kalt und äußerst wechselhaft – gefolgt von einem Temperaturanstieg um 30 °C innerhalb kürzester Zeit. Selbst Anfang Mai hatten wir gelegentlich noch Schnee. Doch dann war es endlich so weit, es war Anfang Juni und das Wetter wurde endlich besser. Die Temperaturen stiegen immer weiter und hielten sich seit einigen Tagen konstant im höheren Bereich. Für mich stand in den kommenden Wochen ein Berufsschulblock an, welcher von meinem Heimatort etwa 100km entfernt stattfinden sollte. Pendeln kam für mich daher gar nicht erst in Frage. Die Unterkunft, welche uns dort zur Verfügung stand, war auch nicht gerade günstig. Und in der Ausbildung zählt nun mal jeder Cent!

Ich fasste schnell die Entscheidung, die Zeit nach der Berufsschule am Wasser zu verbringen. So beschäftigte ich mich einige Tage damit, ein passendes Gewässer heraus zu suchen. Im Hinterkopf hatte ich dabei immer die Laichzeit, welche mir evtl. einen Strich durch die Rechnung machen könnte. Nach einiger Zeit der Recherche im Internet und nach dem Austausch mit einigen bekannten Anglern aus der Szene, die sich etwas in der Region auskennen, stand für mich ein Gewässer fest: Es war sehr verstrickt mit vielen Tief- und Flachwasserarealen. Ich informierte mich ausgiebig über dieses Gewässer und nutzte anschließend meinen Feierabend einige Tage vor der Berufsschulwoche, um mich mit dem See vertraut zu machen und eventuell auch ein paar Fische zu lokalisieren. Am See angekommen, traf ich einige Angler, die mir auch ein paar nützliche Informationen zu diesem Gewässer geben konnten. Zudem konnte ich die Fische ziemlich schnell lokalisieren und eine geeignete Stelle für mein Vorhaben finden – das stimmte mich ziemlich positiv!

 

Sonntagnachmittag packte ich also mein Auto, montierte meine Ruten und präparierte meine Boilies.  Montagmorgen fuhr in dann voller Elan los, denn nach der Berufsschule sollte es für mich direkt an den See gehen. Dort angekommen, musste ich leider musste ich feststellen, dass die Stelle, welche ich mir ausgesucht hatte, besetzt war. Eine andere Stelle für die schnelle Nacht kam auch nicht in Frage, also musste ich mir einen Plan B für die erste Nacht ausdenken. Da ich ein Gewässer in der Gegend schon etwas kannte und dort schon einige Fische fangen konnte, entschloss ich mich kurzerhand, dorthin zu fahren. Anderes Gewässer, gleiches Problem: Wieder musste ich wieder feststellen, dass andere Angler mir zuvorgekommen sind. Bei so viel Unglück an einem Montagnachmittag hätte ich mir nie vorstellen können, was da noch auf mich zukommen sollte...

   

Ich suchte mir notgedrungen eine passende Stelle für die Nacht heraus, pumpte das Boot auf und beköderte meine Ruten. Auf dem Weg zum Spot stellte ich fest, dass auf meiner Rolle noch die dünne Mono von dem vorherigen Trip aufgespult war. Das Geflecht lag noch bei mir Zuhause im Keller... Wieder einmal musste ich umdenken. Da es inzwischen schon sehr dunkel geworden war und nicht mehr viel Zeit blieb, um Spots anzufahren, legte ich meine Ruten schlussendlich einfach an meine eigene Uferkante, fütterte ein paar Boilies und ein wenig Teig hinterher und versuchte im Internet an Informtionen zum Fischbestand zu kommen. Leider musste ich feststellen, dass der Durchschnittsfisch nur etwa 5 kg hat und die Gewichte der Karpfen gerade so an die 15kg Marke herankommen. Damit musste ich mich wohl arrangieren. Zu meinem Erstaunen dauerte nicht lange, bis ich den ersten Biss bekam. Im Kescher zeigte sich direkt ein schöner 30 Pfünder. Selbstverständlich war ich überglücklich nach so einem Tag mit so viel Pech, so einen Karpfen fangen zu können, vor allem da die Recherche einen anderen Eindruck zum Fischbestand vermuten ließ! In dieser Nacht konnte ich noch einige weitere Fische um die 10kg überlisten. Mit solchen Fischen in diesem Gewässer hab‘ ich ehrlich nicht gerechnet.

Am nächsten Morgen packte ich in aller Früh meine Sachen zusammen und fuhr zur Berufsschule. Während des Unterrichts konnte ich mich kaum konzentrieren. Immer wieder schossen mir die Erfahrungen der letzten Nacht durch den Kopf. Wie würde die Woche wohl weitergehen…? Als dann endlich das erlösende Klingeln der Schulglocke läutete, fuhr ich auf direktem Weg an das Gewässer, das ich mir ursprünglich ausgesucht hatte. Kurzgesagt: Die Stelle war noch immer besetzt. Das Pärchen, welches die Stelle besetzte, war weit angereist, um an dem See angeln zu können. Zudem wollten sie die ganze Woche bleiben, was mir in dem Moment ziemliche schlechte Laune bereitete. Also ging es für mich wieder an den See, den ich am Vortag schon beangelt hatte. Ich setzte mich wieder an die gleiche Stelle, fuhr meine Ruten an die eigene Uferkante und konnte innerhalb von zehn Minuten einen richtig guten Fisch landen. Ich war mega happy! Die Fische zeigten sich nun auch an meinen Spots und plötzlich ging es Schlag auf Schlag:

Die Karpfen rannten mir die Bude wortwörtlich ein und ich konnte noch einige Fische bis knapp an die 40 Pfund fangen. Ich erlebte schlaflose Nächte, wie man sie sich nicht besser wünschen könnte.  Die Karpfen standen kurz vor der Laichzeit und hatten richtig Bock auf meine Krill-GLM Köder.

   

Donnerstagabend ereilte mich dann der nächste Tiefschlag, meine Kamera gab den Geist auf. Ich musste wohl oder übel die größten Fische des Trips nur mit dem Handy ablichten. Was soll’s, letztendlich zählt das Erlebnis und nicht das Ergebnis. Ich ließ mir davon nicht die Laune verderben, schließlich konnte ich in dieser Woche unfassbar viel Neues am Wasser lernen und realisierte, dass, nur weil etwas im Internet steht, es nicht unbedingt der Wahrheit entsprechen muss.

   

Solche Kurztrips können sehr anstrengend sein, aber Durchhalten lohnt sich! Wenn ihr die Möglichkeit habt, nach der Schule oder gar der Arbeit ans Wasser zu fahren, dann versucht es doch einfach mal. Für mich war es definitiv die beste Entscheidung meinen Feierabend nicht auf der Couch, sondern am Wasser zu verbringen!

Euch allen am Wasser tight lines und viele Fische!

 

Lucas Reich

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